Schloss Reinhardtsgrimma
Aus der Geschichte um das Schloss Reinhardtsgrimma
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Reinhardtsgrimma, östlich von Dippoldiswalde gelegen, wurde erstmals 1206 ein Herrensitz, 1438 ein Vorwerk, 1494 zwei Rittersitze und 1548 ein altschriftsässiges Rittergut erwähnt. Die Herrschaft übte Erb- und Obergerichtsbarkeit aus. Nachweislich zählte Reinhardtsgrimma 1378 zum castrum Dresden und 1443 zur Pflege Dohna. Seit 1548 lag der Ort im Zuständigkeitsbereich des Amtes Pirna.
Die Herrschaft über Dorf, Fluren, Bewohner, Kirche und Schule lag in den Händen der Besitzer des altschriftsässigen Rittergutes. Es gehörte mit seinem Güterkomplex im 11. Jahrhundert zur Bergfeste Grimmstein. Nach der Zerstörung der Raubritterburg baute Reinhardt von Bernstein eine neue Festung an der Stelle des späteren Barockschlosses. Die Familien von Bernstein und von Karras besaßen Reinhardtsgrimma bis ins 14. Jahrhundert.
Die von Karras gehörten im Mittelalter zu den reichsten und angesehensten Rittergeschlechtern Kursachsens. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert besaßen sie eine Reihe von Rittergütern im Raume zwischen Pirna und Meißen, die meisten wiederum zwischen Gottleuba- und Lockwitztal. Verschiedene Glieder der Familie standen in einflußreichen geistlichen und weltlichen Ämtern. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts muß ein plötzlicher wirtschaftlicher Niedergang des reichen Geschlechts erfolgt sein, wovon auch die Reinhardtsgrimmaer Linie betroffen wurde. Wolf Karras hatte beim Rate zu Dippoldiswalde und bei vielen wohlhabenden Bürgern erhebliche Schulden. Da der Rittergutsbesitzer sich dauernd weigerte, sie zu tilgen, mußte sich im Mai 1582 der Schösser von Pirna einschalten und Karras zur Zahlung nötigen. Sagenhaft wird der gesamte Rückschlag mit dem Verdacht in Zusammenhang gebracht, daß ein Karras der Meuchelmörder des Kurfürsten Moritz in der Schlacht bei Sievershausen 1553 gewesen sei.
Eine lange Reihe von Adelsfamilien ließe sich als Besitzer des Ritterguts von Reinhardtsgrimma nennen. Im 16. Jahrhundert gehörte das Gut der Familie von Schönberg und zu Beginn des 17. Jahrhundert der Familie von Osterhausen. Im Jahr 1628 war der Reichspfennigmeister und Geheimrat Nicolas Joachim von Loss auf Pillnitz Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Reinhardtsgrimma. Dieser verkaufte bald an Rudolph von Bünau auf Tetschen. Die Familien von Tettau, von Venediger und von Schrenkendorf waren zeitweise Besitzer des Rittergutes.
Dem ersten nichtadligen Besitzer von
Reinhardtsgrimma, dem Erbauer des neuen Schlosses, Lippold, folgte
der aus Holstein stammende Henning von Rumohr, der es aber nach
wenigen Jahren 1788 wieder verkaufte. 3 Jahre vorher war ihm in
Reinhardtsgrimma ein Sohn, Karl Friedrich Ludwig Felix von Rumohr,
geboren worden, der in der Kunstgeschichte eine Rolle spielte. Die
Inschrift auf seinem Grabdenkmal (gest.1843) auf dem Neustädter
Friedhof in Dresden, das ihm von dem dänischen König Christian VIII.
gewidmet wurde, rühmt seine Bedeutung: "Dem geistreichen
Schriftsteller über Staats- und Lebensverhältnisse der Vor- und
Nachwelt, dem Begründer eines tieferen Studiums der Kunstgeschichte
des Mittelalters, dem vielseitigen Kenner früherer, dem edelsten
Förderer neuerer Kunst. . .". Rumohrs wichtigstes Werk waren die
"Italienischen Forschungen" (1827), in denen er neue Wege zur
Erschließung italienischer Kunst bis zur Zeit Raffaels beschnitt.
Die Kunstsammlungen in Dresden, Berlin und besonders die in
Kopenhagen wurden nach seinen Anregungen neu geordnet.
Weitere Besitzer waren der Geheime Kriegsrat Viktor August von Broitzen, der dänische Gesandte am sächsischen Hof von Bülow sowie der Gutsförster Georg Konrad Ruschenbusch. Im Jahr 1866 übernahm Major Ludwig Emil Aster und 1882 der Ökonomierat Johann Maximilian Nitzsche das Schloss. Im Jahr 1908 erwarb das Rittergut der Generalmajor Friedrich Hugo Maximilian Senfft von Pilsach mit den Mitteln seiner Frau Alpheda, geb. Teding van Berkhout, Tochter eines niederländischen Plantagenbesitzers auf Java
Das Schloß Reinhardtsgrimma
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Das ursprüngliche Rittergut befand sich, von einem Wassergraben umgeben, nur wenig unterhalb des heutigen Schloßgebäudes. Da er im 18. Jahrhundert recht baufällig geworden war, ließ der Kammerrat Johann Christoph Lippold, der das Gut von den im Siebenjährigen Krieg verarmten Tettaus gekauft hatte, den Hof abtragen und ein neues Schloß errichten. Architekt war Oberlandbaumeister Johann Friedrich Knöbel (1724-1792).
Der Grundriß des zweigeschossigen Baues ist U-förmig. Der Ehrenhof ist dem Wirtschaftshof zugewandt. Nach der Parkseite wölbt sich der Mittelteil, der im Erdgeschoß einen Gartensaal, im Obergeschoß den Festsaal enthält, stark vor. Der First des hohen Mansarddaches liegt bei dem Hauptbau höher als bei den Flügeln; der Höhenunterschied wird bogenförmig ausgeglichen. Von der Parkseite her wird der Bau architektonisch zusammengefaßt durch den schlanken, reizvoll silhouettierten Glockenturm. Er ist der Ausklang der architektonischen Kräfte, die sich in dem nach der Parkseite vorwölbenden Mittelteil gegenüber der schlichten Lisenenarchitektur der zurückliegenden Teile sammeln: Im Erdgeschoß sind hier segmentbogig, im Obergeschoß halb- rund schließende Fenster statt der rechteckigen verwendet; ein Balkon und ein Dreieckgiebel mit einer Vase betonen die Mitte.
Im Prinzip folgt hier Knöbel seinem Lehrer Knöffel, der ähnliche Bauwerke geschaffen hat, so das Hubertusburger Schloß. Wenn aber dort der Mittelteil und der Dachreiter die riesigen Ausmaße nicht zu beherrschen vermögen, so ist in dem intimeren Schloß von Reinhardtsgrimma der Ausgleich, die Balance der Teile, vollkommen beherrscht. Das Schloß ist eines der schönsten Zeugnisse des sächsischen Rokoko. Von ihm strahlt etwas von dem Ideal dieser Zeit aus, dem Zauber ungetrübten Lebensgenusses.
Die Hofarchitektur ist strenger
durchgebildet. Hier erinnert man sich daran, daß Knöbel der
Architekt des zurückhaltenden Dresdner Gewandhauses ist. Nur der
Mittelrisalit ist durch Rokokogehänge, eine Attika mit Wappen und
Puttengruppen ausgezeichnet. Die Raumanordnung, des Inneren zeigt
eine kluge Berechnung auf die damaligen Bedürfnisse. Im ehemaligen
Festsaal befinden sich vier große Gemälde mit Landschaftsszenen; ein
anderer Raum enthält Delfter Kacheln.
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In den Parkanlagen im englischen Stil, die sich im Lockwitztal im freien Felsen- und Waldgelände verlieren, findet man ein später zu einem Wohnheim umgebautes klassizistisches Badehaus. Zypressen umgeben einen eigenartigen Brunnen. Vor einem bärtigen Faun mit gespitzten Ohren steht eine steinerne Urne, die aber kein Wasser enthält, während die danebenliegende Urne in feinem Strahl solches entrinnen läßt. Diese Idee (untätiges - tätiges Wasser) und die Formung kann wohl kaum von dem dänischen Bildhauer Barthel Thorwaldsen (1770-1844) stammen, was früher behauptet wurde.
1908 ließ Freiherr Senfft von Pilsach umfangreiche Bau- und Renovierungsarbeiten durchführen. Dabei wurde der Turm des Schloßes abgerissen und neu aufgebaut. Schloß, Park und Wald wurden nach 1945 Volkseigentum. Zuerst hatten nach Kriegsende in den Gebäuden viele Ausgebombte und Umsiedler eine Notwohnung gefunden. Im Oktober 1946 richtete man eine Landwirtschaftsschule mit Internat darin ein. Sie wurde im September 1950 zur "Fachschule für Landwirtschaft" erweitert.
Seit 1991 ist das Schloss im
Landesbesitz und wurde mit der Parkanlage und Badehaus komplett
renoviert. Im barocken
Festsaal finden seit 1995 die Schloßkonzerte statt. Das Ambiente und
die kammermusikalisch ausgezeichnete Akustik im Festsaal, läßt auch
berühmte Künstler immer wieder gerne nach Reinhardtsgrimma kommen.
(Auszüge:
G.Müller Zwischen Müglitz und Weisseritz, 1964, Bilder: Eckardt
Huth)
Zeittafel zur Chronik des Schlosses
1765-1767
Bau des Schlosses durch den Kammerrat Johann Christoph Lippold,
bürgerlicher Herkunft, durch Kriegslieferungen zu Reichtum gelangt.
Pläne für Schloss und Park von Oberlandbaumeister Johann Friedrich
Knöbel (1724-1792), das Schloss im spätbarocken Stil und im
englischen Stil der Park
1780-1820
Häufiger Besitzerwechsel: Hennig von Rumohr (Vater von Carl
Friedrich von Rumohr, Kunsthistoriker), Carl Friedrich von Rumohr,
Viktor August von Broitzen und Geheimer Kriegsrat von Bülow,
dänischer Gesandter am sächsischen Hof
1810-1811
Erbauung der Buschhäuser in klassizistischem Stil
1820-1866
Gutsförster Georg Konrad Ruschenbusch, wird Besitzer durch
Heirat der jüngsten Tochter von Bülows - Eröffnung eines "Deutschen
Zentral Turnplatzes" nach Turnvater Jahn in der Nähe des Buschhauses
1866-1907
Major Ludwig Emil Aster und Ökonomierat Johann Maximilian
Nitzsche
1908
Erwerb des Rittergutes durch Generalmajor Friedrich Hugo
Maximilian Senfft von Pilsach (mit den Mitteln seiner Frau geb. van
Berkhout, Tochter eines niederländischen Plantagenbesitzers auf
Java). Gründliche Erneuerung des Schlosses.
1928
Verpachtung des Gutes und Bewirtschaftung mit rund 40 bis 50
ständigen Arbeitskräften in Land- und Forstwirtschaft - im Krieg mit
ca. 25 Kriegsgefangenen bei täglich 12 Stunden Arbeitszeit und einem
Wochenlohn von 20 bis 25 RM für ständig Beschäftigte.
Ott Senfft von Pilsach widmet sich dem Auto- und Flugsport, macht
Afrikaflüge und beteiligt sich an Ausgrabungen.
FRau von Pilsach bewohnt weiterhin allein das Schloss mit 5
Bediensteten.
1945
Enteignung und Aufteilung des Gutes und aller dazugehörigen
Besitzungen (Gärtnerei, Sägewerk, Buschhaus, Bäckerei usw.) durch
die Bodenreform 531ha, davon 282ha Wald, an rund landarme 45 Bauern und
Landarbeiter.
1946
Eröffnung einer Landwirtschaftlichen Fachschule mit 18 Internatschülern,
90 Studenten.
1991
Schloss geht in Landesbesitz über. Es bleibt Bildungsstätte für
Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft.
Ab 1995
Schlosskonzerte und Ausstellungen
1991-2004
Umfangreiche Renovierungsarbeiten im Schloss und Schlosspark
Heute
befindet sich im Schloss ein Bildungszentrum des Sächsischen
Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.